Es hat ganz plötzlich wieder angefangen. Wir haben wie jeden Freitag Nachmittag unseren KünstlerinnenTreff abgehalten und festgestellt, dass neue Ideen her mussten. Der Sommer war gefüllt von Kräuter- und Pflanzensammeln, Rituale-Entwickeln und Schamaninnen-Lehren, Fluthilfe-Arbeit und Seetagen. Und er endete ganz sanft in immer häufigerem Ofen-Anzünden, weil es noch zu warm war für die Heizung, und zu kalt für keine Wärme.
Also begaben wir uns in ein Brainstorming, einen regelrechten Braindump. Während unsere Gedanken und Ideen aufs Papier flossen, fiel mein Blick nach draußen. Es war düster und regnerisch, die kürzer werdenden Tage haben wir schon etwas länger bemerkt, wollten sie aber noch nicht wirklich wahr haben. Drinnen war es gemütlich und kuschelig warm bei Kerzen, Feuer und Tee.
Das Bild vor meinem inneren Auge und in meinem Herzen war sofort da. Die immer gleichen Bewegungen der Nadel, die Wolle zwischen meinen Fingern, das wachsende Gewebe unter meinen Händen, ich höre im Hintergrund das Kaminfeuer knacken, sehe den Dampf aus der übergroßen Teetasse steigen – und fühle Ruhe in meinem Kopf.
Häkeln. Wie konnte ich nur so lange nicht daran denken? Wieso lag es so lange Zeit brach? Locker ein dreiviertel Jahr. Sofort rasten meine Gedanken zu meinem Wollbestand, den ich im Frühjahr in einen blauen Müllsack gepackt und im Keller gelagert habe. In einem MÜLLSACK! Während er über den letzten Winter ganze vier große Fächer meines Lieblingswohnzimmerbücherregals einnehmen durfte.
Ich rannte in den Keller, holte den Sack hoch und leerte ihn auf dem Teppich im Wohnzimmer aus. Überwältigt und glücklich und voll von sprudelnden Ideen war mein Gehirn beim Anblick dieser Vielfalt von Farbe und Wärme.
Als meine Künstlerinnenfreundinnen weg waren, habe ich Pinterest auf meinem Handy gestürmt und meine Häkelkunst-Pinnwand verdoppelt. Oder noch mehr.
Die Energie geht mir in solchen Inspirations-Schüben nicht aus, ich könnte sofort Stunden und Nächte damit verbringen, ein Projekt nach dem anderen herzustellen. Und mit jedem kleinen Stück, das entsteht, würden – wie bei einem Baum die Äste – neue Ideen daraus hervorsprießen.
Aber ich weiß aus Erfahrung, dass ich dazu neige, all meine Verantwortlichkeiten zu vergessen und komplett darin aufzugehen. Klingt schön, aber mein (irgendwann hungriger) Körper und vor allem meine (irgendwann hungrigen) Kinder finden das nicht so toll. Genauso wenig mein Haushalt, meine Arbeit und andere Verpflichtungen.
Früher habe ich vernünftige Gedanken über Bord geschmissen und mich selbst hinein in das Häkelvergnügen. Heute, mit knapp über 40 und fast erwachsen, schaffe ich es immerhin, Pläne zu machen, die mich und meinen Alltag ein wenig strukturieren. Und die Gedanken daran, was passiert, wenn ich sie nicht einhalte, helfen mir dabei, eben dies zu tun. Meistens.
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